Business Geomatics 07.07.2008
--Markus Hentschel 08:21, 10. Jul 2008 (CEST)
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Fragwürdige Vergabepraxis
Verdacht auf Mauschelei in deutschen Rathäusern. Vergabepraxis zu intransparent
Immer häufiger werden Auffälligkeiten bei der Auftragsvergabepraxis von Kommunen und anderen öffentlichen Einrichtungen gemeldet. Dabei handelt es sich nicht nur um Darstellungen enttäuschter Anbieter, deren Angebote bei öffentlichen Ausschreibungen nicht berücksichtigt wurden. Gründe dafür liegen im intransparenten Vergabeverfahren selbst. Zwar sind öffentliche Träger in Deutschland durch das öffentliche Vergaberecht gehalten, Aufträge generell auszuschreiben, doch bleiben die Entscheidungsbegründungen zur Auftragsvergabe selbst häufig im Dunklen. So heißt es dann oft einfach nur lapidar in den Absagen: "Das Angebot konnte leider keine Berücksichtigung finden." Doch was steckt eigentlich hinter dieser Problematik?
Laut Bund der Steuerzahler werden Jahr für Jahr in Deutschland mehr als 30 Milliarden Euro von der öffentlichen Hand verschwendet. Das beginnt bei unnötigen Politikerreisen und endet bei der Umsetzung von IT-Projekten mit zweifelhaftem Nutzen. Wie hoch allerdings der Schaden ist, der durch Mauscheleien und fragwürdige Vergabeentscheidungen jährlich zusätzlich entsteht, lässt sich nur vermuten.
Ein Beispiel ist das Projekt zum Aufbau eines Geodatenportals in Neubrandenburg (Business Geomatics berichtete in der Ausgabe 05/08). Im Rahmen der Recherchen wurde bekannt, dass das Projekt, das mit lizenzgebührenfreier Open-Source-Technologie umgesetzt wurde, etwa 300.000 Euro verschlungen hat. Dies ist umso verwunderlicher, als einer der Mitbieter bei der Projektausschreibung, der an dieser Stelle ungenannt bleiben will, das komplette Projekt inklusive Lizenzgebühren für seine Software mit einem Betrag von unter 100.000 Euro angeboten hatte, aber nicht zum Zuge kam. Diesem Anbieter wurde lediglich mitgeteilt, dass sein Angebot in technischer wie in fachlicher Hinsicht nicht den Anforderungen entsprechen würde. Stattdessen entschied man sich in Neubrandenburg für eine Kombination zur Projektdurchführung, die leider in Deutschland keine Seltenheit mehr ist. Mit der Projektleitung wurde Professor Wolfgang Kresse von der Fachhochschule Neubrandenburg beauftragt, der zusammen mit der Bonner Wheregroup den Auftrag zur Projektumsetzung erhielt. In dieser Konstellation brachte das Open-Source-Unternehmen die Basistechnologie ein, die dann gemäß der Projektplanung umfangreich angepasst und ergänzt werden musste. Die aufkommenden Kostenstrukturen zeigen, wie unsinnig die Mittel vergeben wurden. Obwohl Neubrandenburg mit Standardtechnologie schon weitenteils auf vorhandene und selbstverständliche Funktionalitäten hätte zugreifen können, mussten massive Aufwendungen für Programmierdienstleistungen erbracht werden. Nach Mitteilung des Projektleiters mussten zum Beispiel ganz triviale Ausgabeformate wie Shape, SVG und GeoTIFF für die Open-Source-Software oder Druckfunktionen im DIN-A2-Format aus dem Internet erstellt werden, was bei marktüblicher Standardsoftware schon lange zum Grundfundus gehört.
In solchen Fällen gehört auch die Unterstützung durch studentische Arbeitskraft und damit die weitere Nutzung staatlicher und vermeintlich kostenfreier Ressourcen zur üblichen Praxis. Zumeist treten die Wissenschaftler aus Forschung und Lehre gegenüber den Kommunen als Berater auf den Plan und sorgen dann in den Vergabe- und Auswahlverfahren mit Kreativität und Geschick dafür, dass die favorisierten Lieferanten bei den Projektvergaben zum Zuge kommen. Den übrigen Wettbewerbern, die sich mit viel Aufwand an den Ausschreibungen beteiligt haben, bleibt nur das stumme Nachsehen.
Ein weiteres Beispiel für zumindest fragwürdige Vergabeentscheidungen zeigt aktuell die Ausschreibung des Landkreises Mayen-Koblenz in Rheinland-Pfalz. Hier hatte sich laut Informationen von Business Geomatics ein Unternehmen an der Ausschreibung zur GIS-Einführung beim Landkreis beteiligt, das zweifelsfrei der führende GIS-Anbieter bei Kommunen und Kreisen in Rheinland-Pfalz ist, und vermutlich aus diesem Grunde nicht überall gerne gesehen wird. Nur so ist es zu erklären, dass diesem Anbieter lakonisch mitgeteilt wurde, dass sein Angebot keine Berücksichtigung finden konnte und nur den zweiten Platz belegte, obwohl er für seine Produkte einen Betrag deutlich unter 60.000 Euro inklusive aller Dienstleistungen angeboten hatte. Auch hier liegt der Verdacht nahe, dass die Anbieterauswahl von persönlichen Präferenzen der Entscheider abhing. Fakt ist zumindest, dass der Landkreis keine Informationen über die Bewertung der Anbieter im Vergabeprozess bereitstellen muss. Was nun die tatsächlichen Gründe für die Vergabe in Mayen-Koblenz waren, müssten jetzt eigentlich Juristen klären, wenn es denn die Möglichkeit dazu gäbe. Leider besteht dazu aber im aktuellen Vergaberecht die Chance nicht.
Die Beispiele zeigen fehlende Transparenz bei Entscheidungen über die Vergabe öffentlicher Mittel für IT-Projekte. Begründungen bleiben nach Außen hin zumeist im Verborgenen. Schon lange fordern deshalb Vergabe- und Verwaltungsrechtler mehr Transparenz im Sinn einer öffentlichen Bekanntmachung der Vergabebegründungen. Solange dies nicht der Fall ist, bleibt auch weiterhin viel Raum für Mauschelei und Schieberei, leider meist zum Nachteil des schwächsten Gliedes der Kette - dem Steuerzahler. (or)